Gegen alle Vorurteile
Frauen und Mint-Berufe – das ist so ein Ding. Um die Hemmschwelle für Mädchen zu technischen Berufen zu senken, veranstaltet die BBQ Berufliche Bildung in Aalen eine Girlsday Akademie (GDA) – die im Vergleich zu dem alljährlichen Girlsday allwöchentlich stattfindet.
22 Mädchen sitzen an Laptops, haben Schaltungen und Leitungen neben sich liegen. Aktuell programmieren sie mit Erika Lahnsteiner vom Explorhino eine Arduino-Platine. Zuvor hatten die Mädchen einen Bob 3 programmiert – eine kleine Platte, die die Form eines Roboters hat und mit mehreren LED-Lichtern versehen ist. „Wenn man da das Ärmchen drückt, leuchten die Augen.“ Programmierung und Elektronik für Einsteiger. Die Reaktionen der Mädchen fallen unterschiedlich aus, sagt Lahnsteiner. Manche Teams wollten gar nicht mehr aufhören, andere seien weniger begeistert. „Das viele Tippen ist manchmal auch ein bisschen langweilig“, sagen die 12-jährige Magdalena Vuckovic und die 13-jährige Hannah Kiesling. Aber wenn es dann hinterher funktioniere, sei das schon cool. „Manche Jungs sind neidisch, weil wir sowas machen dürfen“, sagt ein anderes Mädchen. „Man kann danach nicht programmieren“, relativiert Lahnsteiner. Sinn der Sache ist, dass die Berührungsängste der Mädchen zum Programmieren schwinden. „Es gäbe auch an den Grundschulen viel mehr Bedarf für Informatik-Angebote, wie sie das Explorhino jetzt anbietet.“ Aber Informatik stehe eben nicht im Bildungsplan.
Mädchen sollen freie Wahl haben
Der Sinn der Sache ist, das Interesse der Schülerinnen an Mint-Berufen zu fördern, sagt Angelika Leinweber vom BBQ, die die Mittwochnachmittage betreut. Es käme noch viel zu oft vor, dass Schulabgängerinnen sich bei der Berufswahl mitreißen ließen von Freundinnen oder sich beispielsweise vom Beruf der Mutter beeinflussen lassen. Margot Wagner vom Kreisfrauenrat hat als Berufsberaterin ähnliche Erfahrungen gemacht. „Es gibt immer noch Vorurteile von Müttern, die beispielsweise denken, dass man in Firmen immer schmutzig werden muss.“ Sie erzählt von einem Vater, der mit seiner naturwissenschaftlich begabten Tochter zu ihr kam und partout wollte, dass das Mädchen Hauswirtschafterin wird. „Die Berufswahl sollte eine ganz freie Entscheidung sein.“ Um eine gleichberechtigte Entscheidung zu haben, sei es wichtig, dass die Mädchen auch Mint-Berufe kennen lernten. „Bei technischen Berufen sind eben oft auch Bezahlung und Arbeitszeit besser.“ Die Vereinbarkeit mit der Familie sei viel einfacher.
Resonanz ist sehr groß
Die Resonanz der Schülerinnen an dem Programm sei riesig, sagt Leinweber. Dabei erstaune sie immer wieder, dass 12- bis 15-jährige Mädchen freiwillig an einem Mittwochmittag in einen Raum säßen. Tatsächlich musste sie einige Absagen verteilen, weil die Nachfrage zu groß war. „Eigentlich haben wir mit 15 Teilnehmerinnen geplant, jetzt sind es 22.“ Der Erfolg spricht für die GDA. „Wir hatten schon Mechatronikerinnen zu Besuch, die früher auch an der GDA teilgenommen hatten und dann nach Jahren wieder hier her kamen.“
Pro Jahr gibt es etwa fünf bis sechs große Außentermine. Die Schülerinnen besuchen Firmen, dafür werden sie vom Unterricht befreit. Außerdem waren sie bei der Technikmesse – „das war das Interessanteste“, sagt eine Teilnehmerin. „Der Girlsday ist gut – aber ein Tag ist zu wenig“, sagt Wagner. Die Mädchen kommen jedenfalls gerne. Ob sie sich schon Berufe herausgesucht haben? „Ich will vielleicht mal Polizistin werden“, sagt Magdalena.
Verfasst von: Jule Schnell
Foto: Eva-Marie Mihai
Erschienen in den Aalener Nachrichten (26.04.2018)